Interview zur Grunderwerbsteuer
„Ein Stufentarif in der Grunderwerbsteuer wäre sinnvoll“
Warum Wohneigentum in Deutschland gerade wieder erschwinglicher ist, welche Vorteile Kaufen gegenüber Mieten hat und wie er potenzielle Käufer durch eine Reform der Grunderwerbsteuer unterstützen würde, erklärt Pekka Sagner, Senior Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik im IW, im Interview.
Ihre Berechnungen zeigen, dass Wohnimmobilien in Deutschland wieder erschwinglich sind. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen?
Es ist auf jeden Fall kein schlechter. Seit der Zinswende im Jahr 2022, als in kurzer Zeit die Zinsen stark gestiegen sind, haben in einigen Regionen die Kaufpreise nachgegeben. Inzwischen sind die Hypothekenzinsen wieder gesunken, sodass unser Index, der die Relation von aufzuwendendem Einkommen auf Haushaltsebene zu den monatlichen Kosten abbildet, gestiegen ist.
Sollten Käufer vielleicht noch etwas abwarten und auf noch bessere Konditionen hoffen?
Unsere Berechnungen zeigen, dass die 2010er Jahre ein sehr, sehr guter Zeitraum zum Kaufen waren. Man darf aber nicht den Fehler machen, zu glauben, dass wir in kurzer Zeit wieder auf dieses sehr hohe Erschwinglichkeitsniveau zurückkehren. Das aktuelle Zinsniveau ist in der Langzeitbetrachtung nämlich normal und es hat sich zuletzt stabil eingependelt. Es gibt wenig Anlass, davon auszugehen, dass es in eine Richtung in kurzer Zeit massiv ausschlägt. Das haben schon viele Käuferinnen und Käufer realisiert, denn die Nachfrage und damit auch die Kaufpreise steigen wieder.
Potenzielle Käufer können sich die Lage ihrer Wunschimmobilie in der Regel nicht danach aussuchen, wo sie bezahlbar ist. Die meisten Menschen sind ortsgebunden …
Das ist richtig, eine gewisse räumliche Variabilität hat man bei der Entscheidung für den Wohnstandort aber natürlich schon. Ich muss zum Beispiel nicht zwingend in Köln Wohneigentum erwerben, sondern kann das auch im Umland tun, etwa im Rhein-Sieg-Kreis oder im Bergischen Land. In den ländlichen Regionen ist die Wohneigentumsquote generell höher, dadurch sind die Kaufpreise regelmäßig deutlich günstiger als in der Stadt. Außerdem sind die dort angebotenen Wohnimmobilien für viele Haushalte attraktiver, sprich: Es gibt im Umland eher freistehende Einfamilienhäuser, die dem typischen Wohnwunsch vieler deutscher Haushalte entsprechen. In Deutschland ist wie in keinem anderen Land die Wohneigentumsbildung eng mit der Familiengründung verknüpft.
Der große Vorteil von Eigentum ist, dass Haushalte ihre Immobilie in der Regel zum Renteneintritt abbezahlt und dadurch Vermögen aufgebaut haben.
Wie viel muss man verdienen, um sich eine Immobilie in einer der deutschen Top-7-Städte leisten zu können?
Das ist sehr unterschiedlich und lässt sich nicht pauschal beantworten. Unser Index unterstellt ja eine standardisierte Wohnimmobilie, die über alle Regionen vergleichbar sein soll. Aber es gibt natürlich eine gewisse Variabilität, da sich zum einen das Budget, das Menschen tatsächlich für eine Immobilie ausgeben wollen, durchaus unterscheidet. Zum anderen sind die verfügbaren Immobilien etwa in urbanen Märkten eher kleiner als im Durchschnitt.
In Deutschland wohnt mehr als die Hälfte der Haushalte zur Miete. Warum sollte sich das ändern?
Deutschland ist weltweit eines der Länder mit der geringsten Wohneigentumsquote, das ist erst mal ein Fakt. Dafür gibt es historische Gründe. Aufgrund der großen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg setzten viele Städte massiv auf den Bau von Mietwohnungen, damit die Menschen wieder ein Dach über dem Kopf hatten. Danach gab es über Jahrzehnte eine Wohnungspolitik, die sich eher auf den Mietmarkt konzentriert hat. Das ist zum Beispiel in Großbritannien ganz anders.
Der große Vorteil von Eigentum ist, dass Haushalte ihre Immobilie in der Regel zum Renteneintritt abbezahlt und dadurch Vermögen aufgebaut haben. Sie müssen keine Mietkosten tragen und haben dadurch gegenüber Rentnern in Mietwohnungen einen enormen finanziellen Vorteil.
Es gilt auch zu bedenken, dass das Rentenniveau angesichts des demografischen Wandels über die Umlagefinanzierung aus jetziger Sicht nicht zu halten ist. Das macht es für ältere Mieter noch schwieriger.
In der Schweiz leben noch mehr Menschen zur Miete als in der Bundesrepublik …
Mieten ist per se auch nicht schlecht. Diesen Fehler sollte man nicht machen. Aber Eigentum birgt Vorteile. Neben dem eben angesprochenen Vermögensaufbau führt der Kauf einer Immobilie auch zu einem Sparzwang. Ab der Unterschrift unter dem Kaufvertrag bucht die Bank jeden Monat die Tilgungsrate ab. Das diszipliniert die Haushalte. Mieter können über verschiedene Anlageprodukte anders für das Alter vorsorgen, sie neigen aber grundsätzlich eher zum Konsum.
Dazu bietet Eigentum Sicherheit. Für Mieter ist immer eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters möglich, die sie aus ihrer geliebten Wohnung treibt. Ein weiterer Nachteil: Häufig gibt es regelmäßige Mietsteigerungen, bei Erwerb einer Immobilie bleibt der Finanzierungsaufwand meist konstant.
Ein Weg, die Grunderwerbsteuer zu reformieren, wäre aus unserer Sicht ein Stufentarif. Für günstigere Immobilien würde eine niedrige Steuer anfallen, mit steigendem Kaufpreis steigt dann die Steuer.
Sie haben eine Reihe von Vorschlägen dazu gemacht, wie sich die Wohneigentumsbildung in Deutschland verbessern ließe. Was wäre die einfachste Möglichkeit?
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung findet sich unter den Vorschlägen für den Wohnungsmarkt auch die von uns angesprochene Idee der öffentlichen Nachrangdarlehen zur Eigenkapitalergänzung. Vereinfacht gesagt: Der Staat gibt dem Käufer ein günstiges Darlehen als Ersatz oder Ergänzung zum Eigenkapital und besteht im Falle eines Zahlungsausfalls nicht auf Erstattung. Das bietet den Banken mehr Sicherheit bei der Vergabe ihrer Kredite.
Ein solches Nachrangdarlehen bietet Schleswig-Holstein bereits seit mehreren Jahren an. Es ist sehr gefragt und hat bislang eine sehr geringe Ausfallquote. Es ist vor allem für junge Haushalte ein interessantes Modell, weil sie in dem kurzen Zeitraum seit Berufsstart meist noch kein größeres Vermögen gebildet haben und deshalb nur wenig Eigenkapital einbringen können.
Sie regen auch eine Reform der Grunderwerbsteuer an. Was genau schwebt Ihnen vor?
Beim Thema Grunderwerbsteuer wir oft nach der Abschaffung oder einem Aussetzen gerufen. Da die Steuer den Ländern zugutekommt, ist das nicht so einfach und allgemein eine sensible Diskussion. Dass eine Steuersenkung aber grundsätzlich umsetzbar ist, hat unlängst Thüringen gezeigt.
Ein gangbarer Weg, die Grunderwerbsteuer zu reformieren, wäre aus unserer Sicht ein Stufentarif. Für günstigere Immobilien würde eine niedrige Steuer anfallen, mit steigendem Kaufpreis steigt dann die Steuer. So wird es bereits in England und Schottland mit einem ähnlichen Modell gehandhabt.
Die Regelung hätte den charmanten Vorteil, dass sie sozial sehr treffsicher ist. Haushalte mit einem geringeren Einkommen oder Vermögen hätten so eher die Chance, Wohneigentum zu erwerben. Auf der anderen Seite würden Multimillionäre nicht davon profitieren, sie müssten eher noch etwas drauflegen für teure Immobilien. Unterm Strich ließen sich so bei richtiger Ausgestaltung auch Steuerausfälle für die Länder vermeiden.
Wichtig zu erwähnen: Die Sätze sollten nicht deutschlandweit gleich sein, sondern es gilt, die regionalen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Daher bliebe das Festlegen der Grunderwerbsteuer auch in Zukunft Ländersache.
Im Interview: Pekka Sagner Senior Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik
Quelle: Das Interview wurde vom Institut der deutschen Wirtschaft zur Verfügung gestellt.