Die Belastungswirkungen einer Grundsteuerreform werden überschätzt
18.04.2019Die Effekte einer Streichung der Umlagefähigkeit für Mieter auch!
Bis Ende 2019 muss der Gesetzgeber die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer neu regeln. Andernfalls verlieren die Kommunen eine ihrer wichtigsten Finanzierungsquellen. Der jüngste Kompromiss zwischen Bund und Ländern sieht eine wertabhängige Bemessungsgrundlage vor, in die die durchschnittliche Nettokaltmiete, der Bodenrichtwert und das Baujahr einfließen sollen. Allerdings gibt es weiterhin großen Widerstand aus dem Lager der Befürworter eines wertunabhängigen Modells, bei dem nur Kennzahlen zur Fläche des Grundstücks und der Bebauung berücksichtigt werden.
Die Vor- und Nachteile der Modelle sind seit Jahren hinreichend bekannt. Die Schwierigkeiten, einen tragfähigen politischen Kompromiss zu finden, dürften insbesondere mit den Belastungswirkungen einer möglichen Reform zusammenhängen. Grundsätzlich soll die Reform aufkommensneutral gestaltet werden. Aufkommensneutralität bedeutet aber nicht, dass es keine Belastungsverschiebungen gibt. Zumal Aufkommensneutralität auf unterschiedlichen Wegen mit unterschiedlichen Belastungswirkungen erreicht werden kann.
Durch eine Anpassung der Steuermesszahl kann der Bund Aufkommensneutralität auf gesamtstaatlicher Ebene sicherstellen. Allerdings wären damit massive Verschiebungen im Steueraufkommen auf Länder- und Gemeindeebene verbunden. Grob gesprochen würden bei wertabhängigen Modellen die Stadtstaaten und die großen Kommunen in den westdeutschen Flächenländern mehr Grundsteueraufkommen erzielen. Bei einem ausschließlich an der Fläche orientierten Modell würde sich ein nahezu vollständig anderes Muster ergeben: Hier käme es, insbesondere in den ostdeutschen Flächenländern, zu mehr Steuereinnahmen. Die Belastungsverschiebungen würden die Umverteilungsströme im Länderfinanzausgleich verändern. Bayern etwa würde bei einem wertabhängigen Modell zusätzliche Mittel in den Länderfinanzausgleich einzahlen müssen. Entsprechend groß sind dort die Vorbehalte gegen eine Reform mit wertabhängiger Basis.
Allerdings greifen die Überlegungen zur Anpassung der Steuermesszahl zu kurz, weil Anpassungsreaktionen der Kommunen nicht berücksichtigt werden. Gemeinden mit reformbedingten Steuerausfällen werden die Hebesätze entsprechend erhöhen müssen, um die kommunale Handlungsfähigkeit zu sichern. Aber was ist mit Kommunen, denen durch die Reform massive Mehreinnahmen in den Schoß fallen? Die Bürger in diesen Kommunen werden wohl kaum eine Vervielfachung der Grundsteuerbelastung ohne entsprechende Gegenleistung hinnehmen. Daher werden die Kommunalpolitiker die Hebesätze senken müssen, um ihre Wiederwahl nicht zu gefährden. Im Ergebnis werden die Veränderungen in der Verteilung des Grundsteueraufkommens deutlich geringer ausfallen als oftmals dargestellt.
Innerhalb einer Gemeinde sind Veränderungen in der Steuerlast zwischen den Grundstückseigentümern aber unausweichlich. Tendenziell sind die Belastungsverschiebungen innerhalb einer Gemeinde bei den wertabhängigen Modellen höher als bei den wertunabhängigen. Jede Reform braucht daher Regeln zum Umgang mit Härtefällen.
Jenseits möglicher Härtefälle auf Seiten der Immobilieneigentümer wird in letzter Zeit verstärkt diskutiert, ob die Umlagefähigkeit der Grundsteuer im Rahmen der Reform ebenfalls geändert werden sollte. Befürworter einer Abschaffung der Umlagefähigkeit erhoffen sich hiervon eine finanzielle Entlastung der Mieter. Weil das Steueraufkommen insgesamt unverändert bleiben soll, käme es zu einer entsprechenden Mehrbelastung von Vermietern.
Grundsätzlich ist es aus ökonomischer Sicht irrelevant, ob die Zahllast für die Grundsteuer formal beim Vermieter oder Mieter liegt. Die tatsächliche Traglast der Steuer ergibt sich immer aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. In den beliebten Märkten tragen die Mieter einen Großteil der Grundsteuer, während die Vermieter bei hohem Leerstand Abstriche bei der Nettomiete aufgrund der Grundsteuer hinnehmen müssen. Bei einer Streichung der Umlagefähigkeit würde daher die Nettomiete bei Neuverträgen um den Teil der Grundsteuer steigen, den die Mieter auch bislang tragen mussten.
Bei Bestandsmietverträgen ist die Sache komplizierter. Hier werden die Mieterhöhungsspielräume durch den Mietspiegel vorgegeben. Die Mietspiegel basieren auf den innerhalb der letzten vier Jahre abgeschlossenen oder geänderten Nettomieten. Allerdings wurden diese Nettomieten unter der Annahme abgeschlossen, dass die Grundsteuer umlagefähig ist. Weil eine Abschaffung der Umlagefähigkeit aber tendenziell zu einer Erhöhung der Nettomieten führt, könnten die Vorreform-Mieten nicht mehr als Referenz herangezogen werden. Ein Vergleich von Nettomieten mit und ohne Umlagefähigkeit der Grundsteuer wäre ein sprichwörtlicher Vergleich von Äpfeln und Birnen.
Ein pragmatisches Vorgehen bei einer Änderung der Überwälzbarkeit könnte darin bestehen, den Vermietern einen Zuschlag auf die Mietspiegelmiete in Höhe der tatsächlich anfallenden Grundsteuer zu gewähren. Dies entspricht der bereits gängigen Praxis bei Inklusivmieten, bei denen die Betriebskosten in der Nettomiete enthalten sind. Da die Daten für Mietspiegel vier Jahre in die Vergangenheit reichen, müssten bei der Erstellung von neuen Mietspiegeln nach einer möglichen Reform der Überwälzbarkeit der Grundsteuer Vorreform-Mieten ebenfalls um den Grundsteuerbetrag erhöht werden.
Die Reform der Grundsteuer wird zu Belastungsverschiebungen führen, auch wenn die Reform aufkommensneutral durchgeführt wird. Allerdings wird die Höhe der Belastungsverschiebungen oftmals überschätzt, weil Anpassungsreaktionen auf kommunaler Ebene vernachlässigt werden. Die Politik sollte die wichtige kommunale Einnahmequelle nicht aus sachfremden Erwägungen heraus gefährden. Sollte zudem die Umlagefähigkeit der Grundsteuer als Betriebskosten auf den Mieter abgeschafft werden, hätte dies Rückwirkungen auf die Mietspiegel. Wenn das Mietspiegelsystem nicht für verteilungspolitische Ziele instrumentalisiert werden soll, dürften die finanziellen Entlastungswirkungen einer Streichung der Umlagefähigkeit der Grundsteuer für die Mieter begrenzt sein.